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Nachehelicher Ehegattenunterhalt ohne Vorliegen eines ehebedingten Nachteils?

Anmerkung zum BGH-Urteil vom 06.10.2010 – XII ZR 202/08

In Sachen nachehelicher Ehegattenunterhalt hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Durch die neue Rechtsprechung des BGH zur Befristung und Begrenzung von nachehelichem Ehegattenunterhalt sowie die zum  01.01.2008 in Kraft getretene Unterhaltsreform wurde klargestellt, dass es keine Lebensstandardgarantie mehr für den unterhaltsberechtigten Ehegatten gibt.

Seitdem wurde und wird darauf abgestellt, ob der Ehegatte, der Unterhalt begehrt, durch die Ehe Nachteile hatte, die von dem anderen Ehegatten auszugleichen sind.

Klassisch ist insofern der Fall der Ehegattin, die ihre berufliche Karriere wegen der Kindesbetreuung nicht weiterverfolgt hat und aus diesem Grund nach der Ehe nicht das Einkommen erzielen kann, das sie ohne Ehe und Kinderbetreuung heute erzielen könnte. Den Ausgleich dieses Nachteils kann die Ehegattin in Form eines Aufstockungsunterhaltes verlangen.
Hieraus wird aber ebenso deutlich, dass die Ehegattin nicht mehr an dem ehelichen Lebensstandard teilhaben soll, sondern auf einen angemessen Lebensstandard verwiesen wird. Angemessen ist der Standard, den die Ehegattin aufgrund ihrer erlernten beruflichen Qualifikation erreichen könnte.

Der BGH hat nun jedoch erneut klargestellt, dass die Prüfung eines Anspruches auf Aufstockungsunterhalt nicht sein Ende findet, wenn ehebedingte Nachteile nicht festgestellt worden sind. Er hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass auch im Falle des Fehlens ehebedingter Nachteile zu prüfen ist, ob die Umstände der Ehe gegen eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruches sprechen.

Er führt aus, dass die Ehedauer durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht gewinnen könne. Diese Verflechtung könne insbesondere durch die Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit und Betreuung gemeinsamer Kinder eintreten. In dem zu entscheidenden Fall kam hinzu, dass die Ehegattin über sehr geringe erzielbare Einkünfte, der Ehegatte dagegen über ein deutlich höheres Einkommen verfügte und die Ehegattin zudem trotz durchgeführten Versorgungsausgleichs eine sehr geringe Rente erwarten würde.

Das Oberlandesgericht muss nun erneut über diesen Fall unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung entscheiden. Festzuhalten bleibt, dass ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nicht automatisch entfällt, wenn ein ehebedingter Nachteil nicht vorliegt.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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