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Sittenwidrigkeit von ehevertraglichem Ausschluss von Zugewinnausgleich und Unterhaltsansprüchen

In einem neueren Beschluss des Oberlandesgericht Karlsruhe (Az.: 20UF 7/14) setzt sich das Gericht mit den Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit bei Eheverträgen auseinander. Dabei skizziert es drei Varianten, in denen objektiv eine Sittenwidrigkeit gegeben ist. Gleichzeitig verdeutlicht es jedoch, dass zwingend auch ein subjektives Sittenwidrigkeitselement vorliegen muss.


Laut des Beschlusses des Gerichts kann dabei insbesondere der Ausschluss des Zugewinnausgleichs durch einen Ehevertrag sittenwidrig sein. Dafür muss objektiv eine einseitige, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung vorliegen. Diese kann dann gegeben sein, wenn auf der einen Seite der Zugewinnausgleich ausgeschlossen wird, der Versorgungsausgleich jedoch beibehalten wird. Im vorliegenden Fall war der Ehemann selbstständig berufstätig, während sich die Ehefrau in einem Angestelltenverhältnis befand. Aufgrund dieser Konstellation erwirtschaftete alleinig der Ehemann beträchtliches Vermögen, die Ehefrau war zeitweise arbeitssuchend und auch eine spätere Anstellung im Betrieb des Mannes führte zu keinem nennenswerten Vermögen. Die Altersvorsorge erfolgte auf der Seite des Ehemannes ausschließlich durch Vermögensbildung, vor allem in Form einer Kapitallebensversicherung. Die Ehefrau erwarb dagegen Ansprüche im Rahmen des gesetzlichen Sozialversicherungssystems. Eine einseitige Lastenverteilung ergibt sich in dieser Konstellation daraus, dass die Altersvorsorge des Ehemannes dem Zugewinnausgleich unterfällt, die der Ehefrau dem Versorgungsausgleich. Folge des Ehevertrages ist, dass der Ehemann an der aufgebauten Altersversorgung der Ehefrau partizipieren kann, da der Versorgungsausgleich laut Ehevertrag bestehen blieb. Die Ehefrau konnte umgekehrt jedoch nicht an der Altersversorgung des Ehemanns partizipieren, da ihr dies durch den Ausschluss des Zugewinnausgleichs verwehrt wurde.
Auch stellte das Gericht eine einseitige Lastenverteilung bei der Abrede im Ehevertrag fest, den Ehegatten stünde im Scheidungsfalle kein Ehegattenunterhalt und nur stark beschränkter Betreuungsunterhalt zu. Bei Würdigung der bei Ehevertragsschluss vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse war vorhersehbar, dass diese Regelung ausschließlich die Ehefrau benachteiligen würde. Eine Beschränkung des Betreuungsunterhalts ist laut Gericht nur dann tolerabel, wenn dafür eine anderweitige Kompensation vereinbart wird.
Allerdings wies das Gericht die Beschwerde der Ehefrau ab. Das Gericht führte aus, dass eine Sittenwidrigkeit nur dann gegeben sei, wenn neben der Vorlage einer objektiv einseitigen Lastenverteilung auch ein subjektives Vertragsungleichgewicht gegeben sei. Dies kann sich aus Ausnutzung einer Zwangslage durch eine Vertragspartei, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit ergeben. Dieses subjektive Element muss substantiiert von der Partei dargelegt werden, welche sich auf die Sittenwidrigkeit berufen möchte. Insbesondere muss dieses subjektive Element im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen. Es reicht damit nicht aus, wenn sich z. B. eine wirtschaftliche Abhängigkeit erst im Laufe der Ehe ergeben hat. Insbesondere hat das Gericht hohe Maßstäbe an die Darlegung einer intellektuellen Unterlegenheit formuliert. Verlangt wird ein nicht unerheblicher Unterschied der intellektuellen Fähigkeiten. Maßgeblich kann dabei z. B. nicht alleinig eine intellektuell unterschiedlich fordernde Berufstätigkeit der Ehegatten sein.
Einhalt geboten hat das Gericht insbesondere dem Argument der Überrumpelung. Die Ehefrau behauptete, zu dem Ehevertragsschluss gedrängt und mit dem genauen Vertragsinhalt erst vor dem Notar konfrontiert worden zu sein. Sie hätte daher keine Möglichkeit der Überprüfung des Vertragsinhalts gehabt und entscheidende Begriffe, welche sie im Vertragstext nicht verstanden habe, nicht für sich klären können. Sie habe den Vertrag im blinden Vertrauen auf ihren Mann unterschrieben. Das Gericht führt aus, dass es in dem enttäuschten Vertrauen keinen Hinweis darauf sieht, dass die Ehefrau Opfer eines Ungleichgewichts von Intellekt und Erfahrung geworden wäre. Sie habe die Möglichkeit gehabt, sich hinsichtlich des Vertragsinhalts von Dritten (auch vom Notar) vor Unterzeichnung beraten zu lassen und diese Möglichkeit wissentlich und willentlich nicht genutzt.
Der Beschluss hat zur Konsequenz, dass Eheverträge auch beim Vorliegen einer einseitigen Lastenverteilung nicht allein deswegen sittenwidrig sind, weil ein Ehegatte zwar die Bedeutung und Tragweite des Ehevertrages realisiert, jedoch im blinden Vertrauen eine Beratung und Klärung der genauen Vertragsbestimmungen nicht bewirkt.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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