Aktuell

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Fortdauer der Untersuchungshaft

Die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts teilte am 15.02.2008 mit:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende Oktober 2006 wegen des
Verdachts des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in Untersuchungshaft. Im März 2007 erhob die
Staatsanwaltschaft Anklage. Von Mai bis Ende des Jahres 2007 wurden an
insgesamt 25 Tagen Hauptverhandlungstermine vor dem Landgericht
durchgeführt. Vier weitere Fortsetzungstermine sollen im Januar und
Februar 2008 stattfinden. Den Antrag des Beschwerdeführers auf
Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls lehnte das
Landgericht ab. Das Oberlandesgericht verwarf die hiergegen eingelegte
Haftbeschwerde.

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers war erfolgreich. Die 3.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest,
dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem
Freiheitsgrundrecht verletzen. Weder das Landgericht noch das
Oberlandesgericht haben nachvollziehbar dargelegt, welche Umstände für
die weiträumige – einer Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen nicht
mehr entsprechende – Terminierung verantwortlich sind und ob diese die
aufgezeigten Verfahrensverzögerungen rechtfertigen können. Die Sache
wurde zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Das Landgericht ist auf das Vorliegen von Verfahrensverzögerungen mit
keinem Wort eingegangen. Das Oberlandesgericht hat diese Frage zwar
aufgegriffen. Es unterlässt aber eine hinreichende Analyse der
konkreten Verfahrensabläufe. Es prüft nicht hinreichend, ob angesichts
der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft und des seit Beginn der
Hauptverhandlung im Mai 2007 bereits verstrichenen Zeitraums die
Terminierungsdichte noch angemessen ist. Der Hinweis auf die bis
Oktober 2007 durchgeführten 20 Hauptverhandlungstermine allein genügt
nicht, zumal dies einer Terminierungsdichte von weniger als einem
Verhandlungstag pro Woche entspricht. Die Terminierungsdichte nimmt
gegen Jahresende sogar noch ab. Es wird nicht dargelegt, weshalb nicht
an mehreren Wochentagen verhandelt wurde, um das Verfahren zeitgerecht
abzuschließen. Bei umfangreichen Verfahren wie dem vorliegenden fordert
das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stets eine vorausschauende, auch
größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als
durchschnittlich nur einem Hauptverhandlungstag pro Woche. Der
verfassungsrechtlichen Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer
Hauptverhandlung in Haftsachen steht zwar deren Unterbrechung für eine
angemesse Zeit zum Zwecke des Urlaubs der Verfahrensbeteiligten oder
auch zum Zweck des Antritts einer Kur nicht grundsätzlich entgegen. Das
Beschleunigungsgebot ist jedoch dann nicht mehr gewahrt, wenn auch
außerhalb dieser sich in einem angemessenen Rahmen zu haltenden
Unterbrechungszeiten die in Haftsachen gebotene Terminierungsdichte
nicht annähernd eingehalten wird.

Soweit für die geringe Terminierungsdichte von der Verteidigung geltend
gemachte Terminskollisionen eine Rolle gespielt haben sollten,
entlastet dies die Strafkammer nicht von dem Vorwurf einer der Justiz
anzulastenden Verfahrensverzögerung. Denn zum einen können derartige
Terminskollisionen bei einer vorausschauenden Terminsplanung weitgehend
vermieden werden. Zum anderen darf die Strafkammer nicht ausnahmslos
auf Terminskollisionen der Verteidiger Rücksicht nehmen. Vielmehr
stellt sich dann die Frage, ob andere Pflichtverteidiger zu bestellen
sein werden oder inwieweit die Verteidiger verpflichtet werden können,
andere Termine zu verschieben.

Beschluss vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2652/07 –

Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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