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Wie lange Anspruch auf Ausbildungsunterhalt – Abitur-Lehre-Studium

Wie lange Eltern für die Ausbildung zahlen müssen, hängt von vielen Kriterien ab und ist in jedem Fall genau zu prüfen.

Abitur-Lehre-Studium-Fälle – worum geht es?

Oftmals entscheiden sich Abiturienten nach einer abgeschlossenen Ausbildung noch zur Aufnahme eines Studiums. Fraglich ist dabei, ob und unter welchen Voraussetzungen die Eltern weiterhin verpflichtet sind Ausbildungsunterhalt zu leisten. Kürzlich entschied der BGH (Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 415/16) in einem Fall, in dem eine 20jährige Abiturientin zunächst eine medizinische Ausbildung abgeschlossen und anschließend mit 25 Jahren noch ein Medizinstudium begonnen hatte. Aufgrund ihrer Abiturabschlussnote von 2,3 musste diese mehrere Wartesemester sammeln und hatte zwischenzeitlich über zwei Jahre in dem erlernten Beruf zur Überbrückung gearbeitet. Der Vater, zu dem seit dem Alter der Tochter von 16 Jahren kein Kontakt mehr bestand, hatte seit dem Abiturabschluss keinen Unterhalt mehr geleistet und wurde nun von dem betroffenen Land, welches der Tochter BaFöG gewährt hatte, in Anspruch genommen. Das Gericht lehnte den Antrag auf Zahlung des Unterhalts ab, da sie diese im vorliegenden Fall für unzumutbar hielt.

Wann kann die Unterhaltszahlung unzumutbar sein?

Dies wird an verschiedenen Kriterien festgestellt, wie etwa an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern. Nach § 1610 II BGB muss der Unterhaltspflichtige die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf leisten. Hat das Kind bereits eine Ausbildung abgeschlossen, sind die Eltern in der Regel nicht dazu verpflichtet eine weitere Ausbildung zu leisten.  Dies erscheint oftmals wirtschaftlich unzumutbar für die Eltern. Jedoch bestehen einige Ausnahmen, wenn die weitere Ausbildung zum Beispiel eine Weiterbildung zu der bisherigen Ausbildung darstellt.

Die Eltern müssen mit einer weiteren Ausbildung auch noch rechnen dürfen. Dies könnte beispielsweise nicht gegeben sein, wenn das Kind bereits ein Alter erreicht hat, in dem die Elternverantwortung in der Regel bereits stark zurückgetreten ist. Dabei gibt es keine feste Altersgrenze und es ist im Einzelfall abzuwägen, ob es für die Eltern im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist, Unterhalt zu leisten.

Im vorliegenden Fall hatte die Tochter den Vater nie über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt und seit dem Abitur keinen Unterhalt mehr von diesem bezogen. Zudem war sie zum Zeitpunkt der Studienaufnahme bereits 25 Jahre alt. Aufgrund der fehlenden Rückmeldung und des Alters der Tochter rechnete der Vater nicht mehr damit, auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden.

Was ist zu beachten?

Damit das betroffene Kind den Ausbildungsunterhalt in Anspruch nehmen kann, muss zwischen der Lehre und dem Studium ein zeitlicher und praktischer Zusammenhang bestehen. Des Weiteren müssen sich die praktische Ausbildung und das Studium sinnvoll ergänzen. Unerheblich ist dabei, ob das Kind zwischenzeitlich in dem erlernten Beruf arbeitet, wenn es sich durchgängig für das angestrebte Studium bewirbt und die Berufstätigkeit nur zur Überbrückung bis zur Studienaufnahme dient. Dabei muss der Studienentschluss nicht bereits zu Beginn der Ausbildung vorliegen und kann erst im Laufe oder am Ende der praktischen Ausbildung gefasst werden. Wichtig ist, dass das Kind die Eltern frühzeitig über seine Ausbildungspläne in Kenntnis setzt, sodass diese mit einer fortlaufenden Unterhaltszahlung rechnen. Befindet sich das Kind bereits in einem Alter, in dem der Unterhalt üblicher Weise nicht mehr der Verantwortung der Eltern unterliegt, könnte der Zahlungsanspruch möglicherweise nicht mehr bestehen.

Für die unterhaltspflichtigen Eltern ist es hingegen wichtig, rechtzeitig Widerspruch einzulegen, wenn eine unzumutbare Situation vorliegt.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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