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Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtgewährung einer Hinterbliebenenrente bei eingetragener Lebenspartnerschaft erfolglos

Die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts teilte am 14.07.2010 mit: Der Beschwerdeführer schloss im Oktober 2001 eine eingetragene
Lebenspartnerschaft. Nach dem Tod des anderen Mitglieds der
Lebenspartnerschaft im Juni 2002 beantragte der Beschwerdeführer die
Gewährung einer Hinterbliebenenrente bei dem zuständigen Träger der
gesetzlichen Rentenversicherung. Dieser lehnte den Antrag mit der
Begründung ab, dass Voraussetzung für die Zahlung einer
Hinterbliebenenrente unter anderem das Bestehen einer gültigen Ehe zur
Zeit des Todes des Versicherten sei und eine eingetragene
Lebenspartnerschaft diese Voraussetzung nicht erfülle.

Das Widerspruchsverfahren sowie die Klage des Beschwerdeführers vor dem
Sozialgericht blieben erfolglos. Der Beschwerdeführer legte die dagegen
zugelassene Sprungrevision ein. Während des Revisionsverfahrens stellte
der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Gesetz zur
Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 die
hinterbliebenen Lebenspartner bezüglich der Hinterbliebenenversorgung in
der gesetzlichen Rentenversicherung dem verwitweten Ehegatten durch die
Einfügung des § 46 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)
gleich. Der Rentenversicherungsträger erkannte daraufhin den vom
Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch für die Zeit ab dem 1.
Januar 2005 an. Der Beschwerdeführer nahm dieses Teilanerkenntnis an,
führte den Rechtsstreit aber für die Zeit vom 22. Juni 2002 bis zum 31.
Dezember 2004 weiter. Das Bundessozialgericht wies die Revision zurück.

Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die hiergegen erhobene
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Selbst wenn die
bis zum 31. Dezember 2004 geltende gesetzliche Regelung zur
Hinterbliebenenrente im Hinblick auf die eingetragene
Lebenspartnerschaft nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, wäre die
Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht angezeigt, da
der Gesetzgeber nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet
wäre.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen
nicht vor. Die hier aufgeworfene Frage, ob die bis zum 1. Januar 2005
geltende Fassung des § 46 SGB VI mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat
keine grundsätzliche Bedeutung. Für nicht mehr geltendes Recht besteht
in der Regel kein über den Einzelfall hinausgreifendes Interesse, seine
Verfassungsmäßigkeit auch noch nach seinem Außerkrafttreten zu klären.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung
der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers
angezeigt, weil er mit seinem zuletzt noch verfolgten Begehren – der
Gewährung von Hinterbliebenenrente für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 –
keinen Erfolg mehr haben kann. Dabei kann dahinstehen, ob § 46 SGB VI in
der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung mit dem Grundgesetz,
insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar
war. Beruht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ausschließlich auf
einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, namentlich darauf,
dass – wie der Beschwerdeführer geltend macht – eine Personen- oder
Fallgruppe in eine begünstigende Regelung nicht einbezogen worden ist,
kann das Bundesverfassungsgericht nur die Unvereinbarkeit der Norm mit
dem Grundgesetz feststellen und dem Gesetzgeber eine gesetzliche
Neuregelung auferlegen.

Im vorliegenden Fall käme jedoch ein Neuregelungsauftrag an den
Gesetzgeber allenfalls für die Zeit ab der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes in Betracht und damit für einen Zeitraum, der
zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens nicht mehr streitig ist.
Eine Pflicht des Gesetzgebers zur rückwirkenden Beseitigung eines mit
dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Rechtszustandes hat das
Bundesverfassungsgericht bislang unter anderem in Fällen verneint, in
denen die Verfassungsrechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war.
Dies ist hier der Fall. Denn die Frage, ob der Gesetzgeber verpflichtet
gewesen war, die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen
Rentenversicherung schon in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 auf
eingetragene Lebenspartnerschaften zu erstrecken, ist bislang
verfassungsrechtlich nicht geklärt. Auch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von eingetragener
Lebenspartnerschaft und Ehe in der betrieblichen Altersversorgung (vgl.
BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –,
NJW 2010, S. 1439 ff.) bezieht sich nur auf den Zeitraum seit dem 1.
Januar 2005. Angesichts der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen
Gleichstellung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern bezüglich
der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung
bedarf es keiner Klärung mehr.

Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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