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Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig

Mit Pressemitteilung vom 08.08.2012 teilte das Bundesverfassungsericht mit: Mit dem am 14. Dezember 2010 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2010 hat der Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich sämtlicher für sie geltenden grunderwerbsteuerlichen Befreiungen gleichgestellt.

Diese Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gilt jedoch nicht rückwirkend,
sondern ist auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt.
Für alle noch nicht bestandskräftigen Altfälle ab Inkrafttreten des
Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 gelten daher weiterhin
die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung von 1997
(GrEStG a. F.), das für eingetragene Lebenspartner – anders als für
Ehegatten – keine Ausnahme von der Besteuerung des Grunderwerbs
vorsieht. Nach der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Regelung des §
3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des
Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit. Von der Besteuerung
ausgenommen ist auch der Grundstückserwerb im Rahmen der
Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung durch den früheren
Ehegatten des Veräußerers (§ 3 Nr. 5 GrEStG a. F.). Ferner sieht § 3
GrEStG a. F. – vorwiegend aus güterrechtlichen Gründen – weitere
Befreiungsvorschriften für Ehegatten vor.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind eingetragene Lebenspartner und
schlossen im Rahmen ihrer Trennung im Jahre 2009 eine
Auseinandersetzungsvereinbarung, mit der sie sich wechselseitig ihre
Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum
stehenden Immobilien zum Zwecke des jeweiligen Alleineigentums
übertrugen. Ihre gegen die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer
gerichteten Klagen führten zur Vorlage durch das Finanzgericht, das die
Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig hält. Der Erste Senat
des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a.
F. sowie auch die übrigen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG a. F.
mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar
sind, soweit sie eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehegatten von der
Grunderwerbsteuer befreien. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember
2012 eine Neuregelung für die Altfälle zu treffen, die die
Gleichheitsverstöße rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einführung des
Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum 1. August 2001 bis
zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 beseitigt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern
hinsichtlich der Befreiung von der Grunderwerbsteuer muss sich – neben
den spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Gleichheitssatzes – an
strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen, weil die
Differenzierung an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft.
Hinreichend gewichtige Unterschiede, welche die Schlechterstellung der
Lebenspartner im Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung von 1997
rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern lässt sich
nicht unter familien und erbrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen.
Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten familien- und erbrechtlich
gleichgestellt sowie persönlich und wirtschaftlich in gleicher Weise in
einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft
miteinander verbunden. Die der Steuerbefreiung zugrundeliegende
gesetzgeberische Vermutung, dass Grundstücksübertragungen zwischen
Ehegatten wie bei den ebenfalls steuerbefreiten nahen Verwandten häufig
zur Regelung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten untereinander
oder in Vorwegnahme eines Erbfalls erfolgen, gilt daher ebenso für
eingetragene Lebenspartner. Des Weiteren begründet die eingetragene
Lebenspartnerschaft ebenso wie die Ehe eine gegenseitige Unterhalts- und
Einstandspflicht, so dass die Ungleichbehandlung auch nicht mit einem
aus besonderen rechtlichen Bindungen gespeisten Familienprinzip zu
rechtfertigen ist.

Schließlich kann die Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den
Ehegatten auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Pflicht
des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt
werden. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer
Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten
Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe
vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot
der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

2. Es besteht keine Veranlassung, den Gesetzgeber von der Pflicht zur
rückwirkenden Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zu
entbinden. Insbesondere ist die Weitergeltung der für verfassungswidrig
erklärten Befreiungsvorschriften nicht wegen einer zuvor nicht
hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage anzuordnen. Eine solche, von
der grundsätzlichen Rückwirkung sowohl einer Nichtigkeits- als auch
Unvereinbarkeitserklärung abweichende Anordnung kommt nur im
Ausnahmefall in Betracht und bedarf einer besonderen Rechtfertigung.
Allein die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Gesetz
gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, vermag indessen nicht
ohne weiteres eine in diesem Sinne zuvor ungeklärte
Verfassungsrechtslage zu indizieren und damit den Gesetzgeber von einer
Pflicht zur rückwirkenden Behebung verfassungswidriger Zustände zu
befreien.

Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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