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Streit der Eltern über Schulfragen rechtfertigt keine Übertragung auf Ergänzungspfleger

Können sich Eltern über schulische Fragen nicht einigen, stelle dies noch keine Kindeswohlgefährdung dar, die den Entzug der elterlichen Entscheidungsbefugnis rechtfertigen würde.

Amtsgericht überträgt schulische Angelegenheiten auf Ergänzungspfleger

Eltern haben in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht. Sie müssen diese elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
Gelingt dies nicht, bitten die Eltern das Familiengericht oft um Hilfe, wie in diesem Fall, bei dem es den Elternteilen nicht möglich war, sich über eine gemeinsame schulische Strategie zu einigen. Auch im Verfahren war eine Einigung nicht möglich.
Das Amtsgericht entzog daraufhin beiden Elternteilen das Recht, die Regelung der schulischen Angelegenheiten der Kinder vorzunehmen, und bestellte hierzu einen Ergänzungspfleger. Mit dieser krassen Entscheidung, dass nun ein Fremder über die schulischen Angelegenheiten entscheiden sollte, waren die Eltern nicht einverstanden und legten beide Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht hebt die Übertragung auf

Diese Entscheidung des Amtsgerichtes hob das OLG mit der folgenden Begründung auf (Beschl. v. 20.12.2018 – 15 UF 192/18): Ein Entzug der elterlichen Sorge setzt eine
Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder seines Vermögens
sowie die Tatsache voraus, dass die Eltern weder gewillt oder in der Lage sind, diese Gefahr
abzuwenden. An dieser Gesetzesformulierung lässt sich bereits ablesen, dass der Entzug der
elterlichen Sorge nur in drastischen Fällen erfolgen soll. Die Frage, wie ein Kind besser schulisch
gefördert wird, ist laut OLG kein solch drastischer Fall. Stattdessen legte das Gericht den Eltern nahe,
sich entweder zu einigen oder einen Antrag zu stellen, einem von ihnen die elterliche Sorge im
Bereich der schulischen Angelegenheiten gerichtlich zu übertragen. Dann kann dieser Elternteil
künftig bestimmen, wie es schulisch mit den Kindern weitergeht.

Erst bei Kindeswohlgefährdung darf der Staat eingreifen

Im Familienrecht geht es um schwerwiegende Eingriffe in die Familie. Hier stehen die Belange des Kindes im Vordergrund. Der Staat hat über eine gerichtliche Entscheidung erst dann einzugreifen, wenn dies geboten und verhältnismäßig ist. Zunächst ist eine Übertragung des Teilsorgebereiches auf einen Elternteil geboten. Erst wenn ein Fall der Kindeswohlgefährdung eintritt, darf von Amts wegen eingeschritten und den Eltern die Entscheidungsbefugnis entzogen werden.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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