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Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Gefangener bei Telefongesprächen und beim Einkauf

Die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichtes teilte am 02.12.2008 mit: Die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen, der sich gegen die Ungleichbehandlung männlicher und weiblicher Gefangener in Bezug auf Telefonate und Einkaufsmöglichkeiten wandte, war erfolgreich.

In der Justizvollzugsanstalt, in der der Beschwerdeführer untergebracht
ist, dürfen die in einem gesonderten Hafthaus untergebrachten
weiblichen Gefangenen von ihrem Eigengeld monatlich für 30 Euro
telefonieren und für 25 Euro Kosmetika einkaufen. Der Antrag des
Beschwerdeführers, ihm dasselbe zu gestatten, wurde abgelehnt. Seine
Klage zum Landgericht blieb erfolglos. Nach Auffassung des Landgerichts
stützte sich die ablehnende Entscheidung hinsichtlich des Telefonierens
zu Recht darauf, dass im Hafthaus des Beschwerdeführers, anders als in
dem Hafthaus für die weiblichen Gefangenen, keine speziell für die
Gefangenen eingerichteten Telefonapparate zur Verfügung stünden und die
im Hafthaus des Beschwerdeführers aus Sicherheitsgründen notwendige
Überwachung der Gespräche zudem personell nicht zu leisten sei.
Hinsichtlich des Kosmetikeinkaufs liege eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls nicht vor, da es sich aufgrund
der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht um
einen im wesentlichen vergleichbaren Sachverhalt handele. Die 3. Kammer
des Zweiten Senats hob den Beschluss des Landgerichts wegen Verstoßes
gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Verbot der Benachteiligung oder
Bevorzugung u.a. wegen des Geschlechts) auf und verwies die Sache zur
erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück.

Zur Begründung heißt es in dem Beschluss unter anderem:

Die geltend gemachten Unterschiede in der Ausstattung der Hafthäuser
mit Telefonapparaten sind der Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz
1 GG nicht von vornherein entzogen, zumal nichts dafür spricht, dass
nicht eine Angleichung mit geringem Aufwand möglich wäre. Zwar kann für
das Maß an Einschränkungen, das Gefangene hinzunehmen haben, auch die
Ausstattung der jeweiligen Anstalt von Bedeutung sein. Angesichts des
grundrechtlichen Verbots der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts
kann es aber andererseits nicht im freien Belieben der
Justizvollzugsanstalten oder ihrer Träger stehen, eine spezifische
faktische Benachteiligung von Frauen und Männern im Haftvollzug dadurch
herbeizuführen, dass deren Unterbringungseinrichtungen unterschiedlich
ausgestattet und an diesen Unterschied der Ausstattung sodann
Unterschiede der sonstigen Behandlung geknüpft werden. Soweit die
ablehnende Entscheidung auf den Überwachungsbedarf gestützt war, hat
das Landgericht versäumt, diese Begründung daraufhin zu befragen, ob
sie auch und gerade im Hinblick auf die praktizierten Unterschiede in
der Behandlung männlicher und weiblicher Gefangener tragfähig war.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass von unüberwachten Telefonaten aus
dem Hafthaus der weiblichen Gefangenen geringere Gefahren für die
Anstaltssicherheit ausgehen als von unüberwachten Telefonaten aus dem
Hafthaus, in dem der Beschwerdeführer untergebracht ist, wären
geeignet, die Ungleichbehandlung auch vor Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu
rechtfertigen. Solche Anhaltspunkte wurden jedoch nicht geprüft.

Die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Kosmetikeinkaufs hat
das Landgericht zu Unrecht als mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar
angesehen. An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen
sind mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung
von Problemen, die ihrer Natur nach nur bei Männern oder nur bei Frauen
auftreten können, zwingend erforderlich sind, oder eine Abwägung mit
kollidierendem Verfassungsrecht sie legitimiert. Geschlechtsbezogene
Zuschreibungen, die allenfalls als statistische eine Berechtigung haben
mögen (Geschlechterstereotype), und tradierte Rollenerwartungen können
danach zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nicht dienen. Auch
wenn das Interesse an Kosmetikprodukten in der Gruppe der Frauen
verbreiteter oder häufiger stark ausgeprägt sein mag als in der Gruppe
der Männer, handelt es sich nicht um ein von Natur aus nur bei Frauen
auftretendes Interesse. Den Angehörigen eines Geschlechts kann die
Befriedigung eines Interesses nicht mit der Begründung versagt werden,
dass es sich um ein typischerweise beim anderen Geschlecht auftretendes
Interesse handele. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch das Recht,
unbenachteiligt anders zu sein als andere Mitglieder der Gruppen, denen
man nach den in dieser Bestimmung genannten Merkmalen angehört.

Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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