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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt

Die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts teilte am 20.05.2008 mit:
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Wegen einiger Passagen in einem
Beschwerdeschriftsatz für einen Mandanten erstattete der erkennende
Amtsrichter gegen den Beschwerdeführer Strafanzeige wegen Beleidigung.
In der Anzeige macht der Richter unter anderem geltend, dass ihm in der
Beschwerdeschrift vorgeworfen werde, er hätte in diesem Beschluss
‚wider besseres Wissen‘ Tatsachen falsch dargestellt, hätte zu einer
Summe einen Betrag von 400.000 € ‚hinzugemogelt‘ und Beträge in
‚unzulässiger und rechtswidriger Weise‘ übertrieben, sei seiner
Verpflichtung nicht nachgekommen, selbst die Grundlagen seiner
Entscheidung zu beurteilen, hätte sich für eine behauptete
Ungereimtheit scheinbar nicht interessiert, ‚weil sie ja vielleicht
zugunsten des Beschuldigten gewertet werden müsste‘ und hätte sich
gegenüber einer bestimmten behaupteten Konstellation ’stur nicht
erkennend‘ gestellt. In dem daraufhin von der Staatsanwaltschaft
eingeleiteten Ermittlungsverfahren erließ das Amtsgericht einen
Durchsuchungsbeschluss, um in der Wohnung und in den Kanzleiräumen
„Handakten und Unterlagen“ aufzufinden, „aus denen sich ergibt, ob der
Beschuldigte wider besseren Wissen gehandelt hat und was Grundlage
seiner Behauptungen in der Beschwerdeschrift vom 14.10.2005 … ist“. Bei
der Durchsuchung der Kanzlei gab der Rechtsanwalt verschiedene
Unterlagen heraus. In seinem Wohnhaus wurden sämtliche Unterlagen
durchgesehen, aber nichts gefunden.

Die gegen die Durchsuchungsanordnung und die sie bestätigende
Entscheidung des Landgerichts gerichtete Verfassungsbeschwerde des
Rechtsanwalts hatte Erfolg. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen
Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 GG
(Unverletzlichkeit der Wohnung) verletzen. Zur Begründung heißt es in
dem Beschluss unter anderem:

Die herausgehobene Bedeutung der Berufsausübung eines Rechtsanwalts für
die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten
gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der
Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit,
auch wenn die Beschlagnahme und die auf sie gerichtete Durchsuchung bei
einem als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt durch § 97 StPO nicht
generell ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst Beschuldigter in einem
gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist.

Die Durchsuchung der Kanzleiräume und der Wohnung des Beschwerdeführers
war nicht erforderlich, um den Tatverdacht zu erhärten. Die dem
Beschwerdeführer vorgeworfenen Äußerungen ergaben sich aus einem
Schriftsatz in einer den Ermittlungsbehörden zugänglichen Gerichtsakte.
Die Handakte des Beschwerdeführers war zum Beweis der ihm vorgeworfenen
Äußerungen nicht erforderlich, denn es war nicht zweifelhaft, dass die
vorgeworfenen Äußerungen tatsächlich vom Beschwerdeführer stammten.
Das Auffinden etwaigen entlastenden Materials in den Unterlagen des
Beschwerdeführers kann den Grundrechtseingriff ebenfalls nicht
rechtfertigen; denn es wäre dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich
gewesen, solches Material im Rahmen seiner Verteidigung selbständig
vorzulegen.

Die angegriffenen Beschlüsse lassen nicht erkennen, dass die Gerichte
eine Abwägung der berührten Grundrechte mit der Schwere des
Tatvorwurfes vorgenommen hätten. Angesichts der Möglichkeit, durch die
Ermittlungen wegen Richterbeleidigung Zugriff auf die sonst den
Ermittlungsbehörden nach § 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr.
2 StPO entzogenen Verteidigerakten zu erhalten, hätte die Durchsuchung
einer besonders sorgfältigen Prüfung und Begründung bedurft. Dabei wäre
auch die geringe Beweisbedeutung der zu suchenden Unterlagen für das
Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen gewesen. Dem angegriffenen
Durchsuchungsbeschluss liegt keine diese Gesichtspunkte
berücksichtigende Abwägung zugrunde.

Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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