Aktuell

Bummel-Azubi: Berufsausbildungsbeihilfe bei objektiv ausgeschlossenem Unterhaltsanspruch gegen die Eltern

Eltern müssen ihrem Kind Unterhalt zahlen, bis es seine erste berufliche Ausbildung abgeschlossen hat. Doch Kinder haben die Pflicht, den Bogen bei ihren Bemühungen und dem zeitlichen Rahmen nicht zu überspannen.

Sechster Ausbildungsversuche in acht Jahren ist zuviel  

Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern musste im Folgenden darüber bestimmen, ob ein Kind seine Eltern auf Unterstützung verklagen muss, wenn es seinerseits einsichtig ist, dass Vater und Mutter ihm in dieser Angelegenheit nichts mehr schulden. Im Zeitraum von acht Jahren hatte ein junger Mann insgesamt fünf Ausbildungen bzw. Studiengänge begonnen und wieder abgebrochen. Dessen Eltern hatten ihm bis zum 25. Geburtstag noch das Kindergeld weitergeleitet. Für die 2012 begonnene sechste Ausbildung beantragte der inzwischen verheiratete Sohn nun elternunabhängige Berufsausbildungshilfe (BAB), ein mit BAföG vergleichbares System. Er begründete den Antrag damit, dass seine Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig seien, da er die jeweiligen Ausbildungen übermäßig verzögert und damit die Verpflichtung zu Zielstrebigkeit, Fleiß un d Sparsamkeit verletzt habe. Demnach habe er seine Eltern auch nicht verklagen müssen, um die fehlende Unterhaltspflicht nachzuweisen.

 

Besteht kein Unterhaltsanspruch mehr, muss dies nicht erst gerichtlich festgestellt werden

Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 08.10.2021 – L 2 AL 49/14) bestätigte diese Ansicht des Kindes. Bei einer solchen Sachlage sind Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig. Und ist der Unterhaltsanspruch des Auszubildenden nach objektivem Recht offensichtlich ausgeschlossen, muss er auch kein Gerichtsverfahren gegen seine Eltern führen.

 

Kein Unterhalt mehr bei übermäßiger Verzögerung der Ausbildung

Verzögerungen der Ausbildungsdauer, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind, müssen Eltern hinnehmen. Verletzt das Kind aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Eine Unterhaltspflicht kommt umso weniger in Betracht, je älter der Auszubildende ist, je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet und je weniger eine Kommunikation über seine Ausbildungspläne erfolgt.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

Mehr über Rechtsanwältin Christine Andrae

« Alle Artikel