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Anonymitätsinteresse oder Abstammungsinteresse – welches Interesse überwiegt bei der anonymen Samenspende?

Der Wunsch nach der Gewissheit über die Identität des biologischen Vaters führt Kinder, die durch anonyme Samenspende gezeugt wurden, oft vor ein Gericht. Ob das Gericht die Identität des Vaters jedoch preisgeben bzw. die seinerzeit behandelnde Klinik dazu anhalten kann die Angaben der Personalien offen zu legen, ist noch nicht eindeutig geklärt. Der BGH hatte mit seinem kürzlich gesprochenen Urteil jedoch für etwas Klarheit gesorgt (BGH, Urt. v. 23.01.2019 – XII ZR 71/18).

Eine junge Frau klagt und geht durch mehrere Instanzen

Als eine junge Frau davon erfuhr, dass sie durch die sog. künstliche heterologe Insemination, also eine künstliche Befruchtung durch eine Samenspende, gezeugt wurde, forderte sie die damalig behandelnde Klinik dazu auf, die Angaben zu den Personalien des Samenspenders offen zu legen um herauszufinden, wer ihr biologischer Vater ist. Die Klinik jedoch hatte dem Samenspender damals im Rahmen des Behandlungsvertrages Anonymität zugesichert und verweigerte der jungen Frau aus diesem Grunde ihr Anliegen. Daraufhin klagte sie und ging durch mehrere Instanzen.

Erfolglos in den ersten beiden Instanzen

Vor dem Amts- und Landgericht hatte die Frau keinen Erfolg. Erst als sie vor den BGH ging, hob dieser das Berufungsurteil des LG als Vorinstanz auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Das LG habe keine einzelfallbezogene Abwägung der rechtlichen und grundrechtlichen Belange, die im Zusammenhang mit einer Auskunft stehen, vorgenommen. Dies sei nachzuholen.

Tendenz des BGH: Abstammungsinteresse des Kindes geht vor Anonymitätsinteresse des Samenspenders

In seiner Begründung setzte der BGH das Interesse des Kindes an seiner Abstammung hoch an. Von geringerer Bedeutung sei die ärztliche Schweigepflicht der Klinik, da sie eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Kind habe. Auch das Anonymitätsinteresse des Spenders habe eher geringeres Gewicht, besonders da wirtschaftliche Fragen ohne Relevanz seien.

Im vorliegenden Fall seien wirtschaftliche Aspekte ohnehin ohne Bedeutung gewesen, da der rechtliche Vater, also der Ehemann der Mutter, die Vaterschaft aufgrund Ablaufs der gesetzlichen Fristen, nicht mehr anfechten hätte können.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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