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Familienrecht: Änderung einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung

„Eine ausländische Sorgerechtsentscheidung darf durch ein deutsches Familiengericht abgeändert werden, wenn das Kindeswohl dies gebietet.“

Dies entschied der dritte Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 15.09.2014 (3 UF 109 /13) und bestätigte damit den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Die Kindesmutter und ihr 13-jähriger Sohn stammen aus Rumänien. Seit der Trennung vom Kindsvater im Jahr 2005 lebt die Mutter mit ihrem Sohn in Deutschland. Im Jahr 2006 hatte der rumänische Gerichtshof in Oradea der Mutter das Recht zur „Großerziehung und Belehrung“ des Sohnes zugesprochen. Im Übrigen blieb der Kindesmutter und dem Kindesvater die gemeinsame elterliche Sorge.

2012 kam es jedoch zu Schwierigkeiten der Mutter mit der Erziehung ihres Sohnes. Deswegen wurde dem Kindsvater vom Familiengericht in Deutschland das Sorgerecht vollständig und der Kindsmutter teilweise durch Beschluss entzogen. Der Kindsmutter wurde unter anderem die elterliche Sorge hinsichtlich der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge entzogen. Das Jugendamt nahm das Kind zunächst zeitweise in Obhut und nachdem eine Betreuung bei der Kindsmutter nicht möglich war, wurde der Sohn in einem Kinderheim aufgenommen. In diesem lebt er seitdem.

Gegen den Beschluss des deutschen Familiengerichts wandte sich die Kindsmutter mit Beschwerde. Sie beantragte die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf sich, damit sie das Kind wieder in ihren Haushalt zurückholen kann. Die Beschwerde der Mutter blieb jedoch erfolglos.

Das Oberlandesgericht Hamm stellte zunächst die internationale Zuständigkeit der deutschen Familiengerichte fest. Die Zuständigkeit der deutschen Familiengerichte werde durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland begründet.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte beurteilt sich nach der Brüssel IIa Verordnung vom 27.11.2013. Diese regelt die internationale Zuständigkeit im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaaten für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung. Danach ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Familiengerichte unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Kindes und der Eltern und unabhängig von dem früheren Aufenthalt der Familie im Ausland gegeben. Voraussetzung ist, dass das Kind zur Zeit der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Familiengerichte war somit im vorliegenden Fall gegeben. Zwar hätte sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch aus Art. 21 EGBGB oder § 99 I 1 Nr. 2 FamFG ergeben, jedoch kommt eine Anwendung vorliegend nicht in Betracht, da sich die Zuständigkeit bereits aus der Brüssel IIa Verordnung ergibt.

Des Weiteren stellte sich die Frage, inwieweit eine in Deutschland grundsätzlich anerkennungsfähige Entscheidung eines ausländischen Gerichts abgeändert werden kann. Dazu stelle das Oberlandesgericht Hamm folgendes fest: Eine Entscheidung eines ausländischen Gerichts, das in Deutschland anerkennungsfähig ist,  könne am Maßstab der § 1696 BGB abgeändert werden, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Die Fürsorge für das Kind hat nämlich stets Vorrang.

Im Vorliegenden Fall ist das Gericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Kindeswohl erheblich gefährdet war. Die Mutter hatte ein solches Fehlverhalten gegenüber ihrem Sohn gezeigt, dass das Kind bei einer Rückkehr in den Haushalt der Mutter in seinem körperlichen, geistigen und seelischen Wohl nachhaltig gefährdet gewesen wäre, es bestand die Gefahr erheblicher Defizite in der Entwicklung des Kindes. Es wurde festgestellt, dass das Kind hochbelastet ist und in seinem Leben häufig überfordert war. Es läge eine Bindungsunsicherheit vor und das Kind sei durch die massiven Gewalterfahrungen durch den Vater und die Mutter traumatisiert. Ein traumatisiertes Kind benötigt jedoch sowohl viel Sicherheit als auch einen sicheren Ort, sowie sichere Beziehungen. Dies würde die Mutter dem Kind jedoch nicht bieten. Diesen Gründen zufolge bestehen im vorliegenden Fall triftige Gründe, die eine Abänderung des ausländischen Urteils am Maßstab des §1696 BGB rechtfertigen.

Es bleibt somit festzuhalten, dass ein deutsches Gericht ausländische Urteile betreffend das Sorgerecht abändern kann, soweit die internationale Zuständigkeit gegeben ist und triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe vorliegen, die eine Abänderung gebieten.

Fachanwältin für Familienrecht Christine Andrae

Über die Autorin

Rechtsanwältin Christine Andrae ist Fachanwältin für Familienrecht in Köln. Auf dieser Seite veröffentlich sie Beiträge zu familienrechtlichen Themen wie Unterhalt, Sorgerecht, Scheidung oder Umgangsrecht.

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